Einfache Führungsrezepte … ... und warum sie häufig zu kurz greifen

Vor einigen Wochen hatte ich hier auf das Buch ‚Wirksam führen mit Systemtheorie‘ hingewiesen. Torsten Groth, einer der beiden Autoren, hat kürzlich auf Linkedin einen Beitrag unter der Überschrift ‚Wie einfach dürfen Führungshinweise sein‘ gepostet. Ich stimme damit so sehr überein, dass ich ihn hier einmal zitiere:

„Kürzlich trendete auf Linkedin ein Beitrag über „10 Gebote guter Führung“ – ein Beitrag, der bis jetzt fast 4000mal gelikt wurde und über 300 Kommentare – zumeist positiv unterstützende – hervorrief. Kein Wunder, denn das, was die Autorin dort zusammenfasst, klingt richtig gut: Chefinnen und Chefs sollen:

  1. … authentisch sein;
  2. … kein Mikromanagement betreiben;
  3. … ihren Mitarbeitenden Visionen und Unterstützung geben, sowie
  4.  … Respekt und Wertschätzung entgegenbringen;
  5.  … empathisch und emotional intelligent sein;
  6. … auch in turbulenten Phasen Feedback konstruktiv transportieren;
  7. … in guten Zeiten nicht mit Anerkennung geizen;
  8. … ihr Team und einzelne Mitglieder fördern und fordern;
  9. … nicht zwingend im Rampenlicht stehen wollen;
  10. … zu ihren Fehlern stehen und lernen aus ihnen.

(…)  Schauen wir auf die Liste der 10 Gebote, so wird in dieser Führung hauptsächlich als Interaktionsgestaltung verstanden – … und in diesem Kontext klingen die Hinweise passend und hilfreich. Versteht man Führung jedoch als Funktion einer Organisation und sieht Führungskräfte als Verantwortliche für den Erfolg eines Unternehmens, dann relativiert sich die Einschätzung: Da der Organisationskontext kaum vorkommt, fehlt folglich auch die Beschreibung der vielleicht größten Herausforderung für (viele) Führungskräfte: Wie handhabe ich das Dilemma, dass ich einerseits alle der oben genannten 10 Gebote einhalten möchte und zugleich im Sinne der Organisation Entscheidungen vertreten muss, die ich persönlich so nicht getroffen hätte? Wie kann ich authentisch meine unterschiedlichen Rollen ausfüllen? Oder auch, wie gehe ich damit um, dass die Organisation in ihrer Grundstruktur Widersprüche bearbeiten muss (zentral vs. dezentral, Innovation vs. Routine etc.) und somit strukturelle Konflikte auf Dauer gestellt sind, die aber oft nicht als solche erkannt und benannt werden, sondern einzelnen Führungskräften persönlich zugeschreiben werden? – Der Kontext Organisation, sofern man ihn einbezieht, erweitert nicht nur das Aufgabenspektrum, er führt zu der generellen Sicht, dass Führungskräfte nicht umhin kommen, Widersprüche zu balancieren, von denen sie selbst erfasst werden. Dieses müssen sie vor sich und gegenüber Mitarbeitern vertreten können …  Der hier nur angedeutete Verweis auf Führung als Funktion, auf den Organisationskontext und strukturell angelegte Widersprüche bedeutet nicht, dass die 10 Gebote abzulehnen sind; sie sind richtig und falsch zugleich. Sie weisen richtigerweise auf eine interaktionistische Seite von Führung hin, in der es in der Sozialdimension um Bindung und Vertrauen geht, und sie leiten fehl, wenn Führungskräfte in ihren anderen Rollen gefordert sind. Was man also Führungskräften nahelegen kann, ist eine „Spielfähigkeit“ zu entwickeln, also immer zu reflektieren, welcher „Rahmen“ angesagt ist und bzw. in welcher Hinsicht sich mehrere „Rahmen“ auch widersprechen. (…)“

Mir sind diese Ausführungen deswegen so sympathisch, weil ich in Diskussionen darüber, was einen ‚Leader‘ ausmacht, häufig den Bezug zum Kontext, in dem die Leader tätig sind, vermisse. Und das ist nun mal die Organisation. Torsten Groth hat einige der Implikationen benannt, die sich daraus ableiten. Über weitere werde ich in Kürze hier schreiben …